(Dezember 2004)
Der Weihnachtsmann erschien vor Gott
und klagt' ihm bitter seine Not:
"Herr, auf ein Wort, ich bitt' recht sehr!
Ich fürcht', man braucht mich hier nicht mehr.
Sobald ich klopfe an die Tür,
wird man recht grob und frech zu mir:
'Was ist das wieder für ein Mist?'
'Sag bloß, dass das schon alles ist!'
'Los, her damit, und jetzt hau ab,
sonst gibt es Prügel, nicht zu knapp!'
So werd' ich heutzutag' empfangen.
Da kann man nicht von mir verlangen,
dass ich mit lächelndem Gesicht
das hinnehm' – nein, das tu' ich nicht!
Doch kommt's noch schlimmer obendrein:
Schon das Wort 'Weihnachtsmann' allein
ist vielen Menschen arg verhasst
und wird als Schimpfwort aufgefasst.
Nennt wer den and'ren 'Weihnachtsmann',
dann ist es klar: der and're kann
die Sache vor den Kadi tragen
und den 'Beleidiger' verklagen.
Ich leide schlimmste Seelenschmerzen!
Drum bitt' ich dich von ganzem Herzen:
O Herrgott, bitte weise mir
doch zu ein anderes Revier!"
Drauf dachte Gott ein wenig nach
und zu dem Weihnachtsmann er sprach:
"Nun hör mal zu, mein guter Freund!
Ich hätt' da etwas, und mir scheint,
dort machst du viele Menschen froh.
Das Land, es nennt sich Kosovo.
Den Krieg, brutal und fürchterlich,
hat's mir sei Dank jetzt hinter sich.
Doch manches wird dort noch gebraucht,
bevor der Schornstein richtig raucht.
Drum mach dich auf und werd' dort tätig -
im Kosovo hat man dich nötig!"
Der Weihnachtsmann hat sich bedankt
und ist sehr bald schon angelangt
mit seinem Schlitten (made in China)
in der illust'ren Stadt Prishtina.
Dort suchte er als erstes heim
die Redaktion des Blattes "Lajm".
Für Zeitungs-Enten-Produzenten
gab's süße Gummi-Quietscheenten.
Die kann man – ja ist's denn zu fassen? –
im Wannenbad zu Wasser lassen.
(Die Zeitung bringt zu allen Zeiten
Gerüchte, Enten, Halbwahrheiten.
Würd' sie die blanke Wahrheit schreiben,
würd' sie nicht lang am Leben bleiben.)
Anschließend fuhr er – husch, husch, husch –
zu Haradinaj, dem Ramush.
Was hatte er für ihn im Sack?
'Nen Liebesbrief von Doris Pack?
Ach wo! Glaubt mir, was ich euch sag':
'ne Ladung vom Gericht im Haag.
Dort hieß es: "Ramush, bitteschön,
wir würden dich hier gerne sehn,
und wären dir verbunden sehr,
kämst du gelegentlich mal her -
natürlich nur, wenn es dir passt.
O Ramush! Komm, sei unser Gast!"
Alsdann begab er sich zu ihm,
dem Herrn Rugova (Ibrahim),
und sprach zu ihm: "Schau her, mein Sohn,
dies ist für deine Kollektion:
Den Pflasterstein hat ungelogen
der Joschka Fischer einst gezogen
höchstselbst mit seiner eig'nen Hand
aus Frankfurts heißem Pflasterstrand
und ihn mit seines Armes Kraft
per Wurf vom Körper weggeschafft,
womöglich um herauszukriegen:
Wie weit mag so ein Stein wohl fliegen? - -
Wer steht auf dem Programm jetzt? KFOR?
Die auch, natürlich! Aber davor
kehr ich – das muss nun wirklich sein –
noch eben bei den Deutschen ein,
die in Prishtina – ja das weiß ich –
sich abmüh'n, ehrlich, brav und fleißig,
und nicht nur zu den Öffnungszeiten,
die Visumangelegenheiten
von guten Kunden und von bösen
so gut es eben geht zu lösen.
Oft geh'n die Konsulargeschäfte
bis an die Grenze ihrer Kräfte.
Drum hab ich in dem Säcklein drin
hier ein Versprechen aus Berlin:
"Wenn ihr's beantragt, schicken wir
euch ein paar Englein her von hier,
um eure Berge abzutragen.
Ihr braucht uns nur darum zu fragen!
Dann schwebt ein Engel ein im Flug –
von Engeln kriegt man nie genug!"
Als letztes macht der Weihnachtsmann
mit frohem Herzen sich daran,
den vielen braven Kosovaren,
die jahrelang nur Leid erfahren
und hoffnungsvoll an morgen denken,
was Wunderschönes noch zu schenken.
Was mag es sein? Weiß ich's? Weißt's Du?
Wir wissen's nicht und schau'n nicht zu.
Wir woll'n hier nicht Voyeure sein,
das ziemt sich nicht und ist nicht fein.
Doch freuen würde es uns sehr,
wenn dies Geschenk der FRIEDEN wär' !
Einige Anmerkungen zur Erklärung:
Lajm = kosovarische Kopie der Bild-Zeitung
Ramush Haradinaj = von Anfang Dez. 2004 bis März 2005 (also zur Zeit der Entstehung dieses Gedichts) kosovarischer Ministerpräsident. Wird von serbischer Seite beschuldigt, während seiner Zeit als UCK-Kommandant an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein. Im März 2005 stellte er sich dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag, wobei er auf „nicht schuldig“ plädierte.
Doris Pack = aus Saarbrücken stammende Abgeordnete des Europa-Parlaments (CDU / EVP). Ihr besonderes Augenmerk gilt dem Balkan. Seit Jahren vertritt sie die Interessen der Kosovo-Albaner.
Ibrahim Rugova = bis zu seinem Tod am 21.1.2006 Präsident des Kosovo; sammelte dekorative Steine und verschenkte auch an ausländische Gäste oder Gastgeber gern Gesteinsbrocken aus seiner Heimat.
Was den Abschnitt über die Deutschen angeht, so sollte erwähnt werden, dass – als dies Gedicht entstand – der Leiter des Dt. Verbindungsbüro Jürgen Engel hieß (mehrmalige Anspielung auf seinen Namen).