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MEINE FIBEL

(Dem wichtigsten Buch meines Lebens gewidmet)

 

I.

Es klingt schon beinah' wie ein Märchen:

Als ich vor über vierzig Jährchen

einst anfing mit dem Schulbesuch,

erhielt ich als Geschenk ein Buch

mit vielen Bildern sowie Lettern.

Sehr oft und gern tat ich drin blättern.

Den Kindern, die in Bremen wohnen,

den boten die Illustrationen

viel Altvertrautes, das sie kannten

und auch bereits beim Namen nannten:

Der Roland war darin zu seh'n,

Rathaus und Schütting – wunderschön !

Und was ist das – darf ich mal fragen ?

Die Mühle in den Wallanlagen !

Dann gab es dort noch zu entdecken

ein Bild mit einem Hafenbecken,

und an des Beckens beiden Rändern

viel Schiffe aus entfernten Ländern.

Es war ein Bild aus alter Zeit,

längst zählt es zur Vergangenheit.

Das Becken – es ist heut' nur noch

quasi ein sandgefülltes Loch...

Doch kehren wir zum Buch zurück:

Dort war'n des weit'ren – welch ein Glück –

viel Buchstaben drin abgedruckt,

die hab' ich mir oft angeguckt,

sie nachgezeichnet mit dem Stift –

und so erlernte ich die Schrift !

Nun bitt' ich euch, dass ihr mir glaubt,

wenn ich hier steif und fest behaupt':

Wär' dieses Büchlein nicht gewesen,

dann könnt' ich heute noch nicht lesen !

 

 

II.

Ich kenne zwei sehr junge Damen,

Michelle sowie Alice mit Namen.

Die beiden steh'n mir ziemlich nah:

mein Sohn, das ist ihr Herr Papa.

Zwar sind sie für den Schulbesuch

bei weitem noch nicht alt genug

(Michelle wird in Kürze drei,

Alice ist noch nicht mal zwei) -

doch ist's in drei, vier Jahr'n soweit,

dass sie zur Einschulung bereit !

Wie ist das Lehrbuch wohl betitelt,

welches die Kunst der Schrift vermittelt

an all die künft'gen Schulanfänger ?

Ich fürcht' fast, "Fibel" heißt's nicht länger !

Der Name ist doch viel zu piefig,

spießbürgerlich, verstaubt und miefig !

Da muss ein neuer Titel 'ran –

mein Vorschlag lautet: "FIT FOR FUN".

Na klar doch – Englisch soll es sein,

ansonsten akzeptiert's kein Schwein.

Ich find' den Titel gar nicht übel,

denn spassgesellschaftskompatibel,

so wünscht man sich die heut'ge Jugend.

"Konsum" – das ist die erste Tugend.

Sobald's dem Mutterleib entronnen,

das Erdendasein hat begonnen,

wird's Kind bereits indoktriniert:

Nur der zählt, der viel konsumiert !

Je mehr du kaufst, je mehr du hast,

je besser wirst du aufgefasst !

So sind denn auch die ersten Worte

im Lehrbuch nicht mehr von der Sorte

wie "Mama", "Papa", "ei ei ei" - -

ach was ! Das ist doch Kinderei !

Stattdessen: "Cola", "DVD",

"Barbie", "Big Mäc" sowie "CD",

und sozusagen "on the top"

kommt dann die Krönung: ALCOPOP !

Statt "Fuchs, du hast..." und "Hänschen klein"

übt man Reklamejingles ein.

Und in der Pause, auf dem Klo,

da gönnt man sich 'ne MARLBORO,

doch wagt kein Lehrer einzuschreiten,

man könnt' ihm den Prozess bereiten –

die Anklage, sie wöge schwer:

"Sie sind ein Wirtschaftssaboteur !"

Man sieht: Rein gar nichts bleibt beim alten !

Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten...