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PEPPERLAND

Schon seit vielen, vielen Jahren

wollt nach Pepperland ich fahren.

Filmliebhabern ist's bekannt,

das geheimnisvolle Land;

und auch Musikfans lieben ihn:

den Trickfilm "Yellow Submarine".

Er spielt sich ab in Pepperland –

der Staat, er wurde überrannt

von miesen, fiesen Invasoren,

und diese hatten sich geschworen,

mit Tanz, Gesang, Musik und Lachen,

mit bunten, farbenfrohen Sachen

für stets und ewig aufzuräumen.

Doch ließen sie sich wohl nicht träumen,

dass die Musik viel stärker ist

als Terror und brutale List.

Die Retter war'n vier junge Männer,

ein jeder Laie sowie Kenner

hat wohl gehört von ihnen schon:

sie heißen George, Paul, Ringo, John.

Und diese vier aus Englands Norden

vertrieben die Besatzerhorden –

nicht mit Kanonen und Gewehren,

auch nicht mit Lanzen oder Speeren;

nein - des Erfolges ganzer Trick

hieß nur: Musik, Musik, Musik!

Von überall erklangen Lieder,

die bunten Blumen blühten wieder,

es herrschten Freude, Phantasie

und frischfrechfreie Anarchie!

Gewalt und Hass war'n in dem Land

nur noch als Fremdwörter bekannt.

Doch führte dies im Lauf der Zeit

schließlich ganz unbemerkt soweit,

dass niemand sich mehr int'ressierte

für das, was in dem Land passierte,

weil in der heut'gen Medienwelt

nur Blut und Schock und Horror zählt.

Wo Krieg tobt - da zieht's alle hin,

denn dort winkt reichlicher Gewinn.

Und überlebt man's selbst auch nicht –

es bleibt der Sensationsbericht.

Doch lebt ein Volk in Glück und Frieden,

wird's von den Medien gemieden –

um sowas schert sich keine Sau

bei Presse, Rundfunk und TV.

(Drum hat zum Beispiel auch die Schweiz

für Journalisten wenig Reiz.

Ich geh' noch weiter und vermute,

dass eben drum so viele "gute"

und "tolerante" Zeitgenossen

in Diktatoren sind verschossen.

Wer sein Volk quält, misshandelt, schindet –

so ein Brutaltyrann, der findet

in uns'rem Land Apologeten,

die seine Lügen brav nachbeten.

So macht man sich interessant

und wird als Gutmensch anerkannt.)

Jetzt kam ich - und dies nicht zu knapp –

schon wieder mal vom Thema ab.

Ich schrieb's bereits: jahrzehntelang

hegt' ich den heißen Wunsch und Drang,

selbst mal nach Pepperland zu geh'n,

um dieses Land mir anzuseh'n,

die fleischgeword'ne Utopie,

das Reich der wahren Harmonie.

Ich kaufte mir 'nen Luftfahrschein

und reiste in mein Traumland ein.

Doch - ich gesteh's - ich hatt' indessen

blauäugig, wie ich war, vergessen,

mir alle Informationen,

die sich für den Besucher lohnen,

im voraus zu Gemüt zu führen.

Dies kriegt' ich gleich am Zoll zu spüren:

man reichte mir - ja, es ist wahr ! –

ein offizielles Formular,

darauf trug ich mein Bargeld ein –

die Münzen sowie jeden Schein.

Dann kam sogleich der nächste Schlag:

"Sie sind verpflichtet, jeden Tag,

den Sie in unserm Land verleben,

einhundert Euro auszugeben.

Sie fragen sich bestimmt: warum?

Zur Stimulierung vom Konsum!

Wir wollen unser Volk erzieh'n

im Sinne uns'rer Staatsdoktrin,

die sich an alle Bürger richtet,

In- sowie Ausländer verpflichtet,

ausschließlich dem Konsum zu frönen

und sich Kritik abzugewöhnen."

Benebelt schwankte ich ins Freie.

Dort wurd' ich fast betäubt durch Schreie

aus Lautsprechern, die mit verzerrten

Quietschtönen Werbesprüche plärrten.

Ich rief ein Taxi: "Bitte schnell,

fahr'n Sie zum PEPTOURIST-Hotel !

Dort möcht ich mich aufs Öhrchen legen

und erst einmal der Ruhe pflegen !"

Drauf gab der Taxifahrer Gas.

Ein netter Plausch mit ihm? Ach was !

Denn aus dem Radio quoll nur

Reklamemüll in einer Tour

(Tortur sollt' ich's wohl besser nennen).

Am liebsten würd' zu Fuß ich rennen.

Doch mit zwei Koffern ging das nicht,

der Grund dafür war ihr Gewicht.

Schließlich am Gasthaus angekommen,

hat mir der Fahrer abgenommen

'nen unverschämten Geldbetrag –

ich dachte fast, mich trifft der Schlag!

Er grinste fett und feist und froh:

"Das ist für Fahrt mit Radio!"

Ich wagte daraufhin zu fragen:

"Wieviel hätt's ohne Schall betragen?"

Er schüttelte den Kopf: "Unmöglich!

Schon der Gedanke – unerträglich!

Dass einer auf Beries'lung pfeift,

ist was, das hier kein Mensch begreift.

Drum sind an jeder Häuserwand,

an jedem Baum und Pfahl im Land

Lautsprecher-Trichter angebracht,

aus denen klingt bei Tag und Nacht

der Aufruf zu noch mehr Konsum,

zu uns'rer Wirtschaft Glanz und Ruhm."

Die Floskel hat er abgespult,

wie eindressiert, perfekt geschult,

roboterhaft - wie man's sonst nur

gewohnt ist in der Diktatur.

Dann checkte im Hotel ich ein.

Erholungsschläfchen? Aber nein !

Denn auch im Zimmer wurd' ich bald

mit Dauerwerbung zwangsbeschallt.

Sie abzustellen klappte nicht,

ein Knopf hierfür war nicht in Sicht.

Und auf dem Bildschirm hüpften dumm

ein paar halbnackte Weiber rum,

dazu erklang stupide-stumpf

ein Technorhythmus: dumpf-dumpf-dumpf.

Dies konnt' und wollt' ich nicht anseh'n,

und so beschloss ich, auszugeh'n.

Auch draußen herrschte keine Stille,

Lärmquellen gab's in reicher Fülle,

drum dachte ich: ich ruh' mich aus

am besten in 'nem Gotteshaus!

Ich sah zu meiner großen Freude

am Wegesrand gleich ein Gebäude –

üppig mit Marmorschmuck verziert,

wie's einem heil'gen Haus gebührt.

Doch als ich trat durch's Tempeltor,

wie kam ich mir da plötzlich vor !

In allen Sälen, Gängen, Fluren,

da standen sie: die Tempelhuren –

geschminkt zwei Zentimeter dick,

mit gierigem, geldgeilem Blick.

Sobald ein Mensch im Raum erschien,

bedrängten und beschrien sie ihn:

"Nimm mich! Greif mich! Stürz dich auf mich!

Friss mich! Sauf mich! Küss mich! Kauf mich!

Ich schenk dir das Heil der Welt

und nehm dafür nur dein Geld.

Ich tu alles, was ich kann,

mach aus dir 'nen Supermann,

geb' dir zurück die Jugendjahre

sowie die ausgefall'nen Haare;

du bist sogar - ja, glaube mir –

mit siebzig noch potent wie'n Stier!

Ich erlös' dich von den Nöten –

gib' mir Knete, Kies, Moneten!

Ich befrei' dich von dem Laster –

gib' mir Money, Bares, Zaster!"

Höchst angewidert von den Frauen

riss ich mich los aus ihren Klauen,

und - noch verfolgt von schrillen Schreien –

stand ich bald wieder dann im Freien.

Doch da entdeckte ich: Oh weh!

Verschwunden ist mein Portemonnaie!

Sie hatten's, bevor ich entwischt,

mir schnell noch aus der Hos' gefischt.

Ich winkte einen Mann herbei:

"Wo geht's denn hier zur Polizei?"

Der Typ, er glotzte mich nur dämlich

wie'n Ochse an - er hatte nämlich

die Ohr'n mit Kopfhörern verhüllt,

aus denen Technowummern quillt,

dabei war rhythmisch er am Zucken,

als quält' ihn wo ein böses Jucken.

Drauf schrieb ich auf ein Blatt Papier:

"ZUR POLIZEI ?" - worauf er mir

laut lachte mitten ins Gesicht:

"Die Polizei? Die gibt's hier nicht!

Bei uns nennt man die Ordnungshüter

in Uniform: DIE GROSSEN BRÜDER,

weil sie gleich wie Geschwister sind

und - wie die Mutter um ihr Kind –

ums Volk sich sorgen immerdar

und es beschützen vor Gefahr.

Richt' deinen Blick nach links, mein Guter –

denn dort steht schon ein GROSSER BRUDER !

Der wird dir gern behilflich sein,

von den Problemen dich befrein."

Ich schaute mir besagten Mann

zunächst mal von der Seite an

und muss gestehn, was ich empfand:

ich hätte niemals ihn erkannt

als Ordnungshüter - wie denn auch?

Er trug ein T-Shirt überm Bauch,

drauf standen - damit's jeder seh –

die beiden Buchstaben "GB".

Die Hose, sie hing breit und schlabbrig

bis zu den Knien, kurz und labbrig.

Und auf dem Kopf (wie'n echter Depp)

trug er - na was? - ein Baseballcap !

Wär' der bei uns so angekommen,

den hätte keiner ernst genommen !

Doch and're Länder, and're Sitten...

Ich sprach zu ihm: "Ich möcht' Sie bitten,

dass Sie sich eben kurz bequemen,

'ne Diebstahlsmeldung aufzunehmen."

Er grinste breit: "Na, ist ja toll !

Da schreiben wir ein Protokoll !

Von Ihnen kriege ich dafür

eine Bearbeitungsgebühr

in Höhe von zweihundert Piepen,

bar oder Scheck – ganz nach Belieben!"

Ich sagte: "Hören Sie, mein Lieber,

ich hab' noch gerade soviel über,

dass heute ich – wie soll ich's sagen –

mir füllen kann das Loch im Magen!

Für morgen wird's nicht mehr genügen.

Ich will nur eins: nach Hause fliegen!"

Der BRUDER sprach: "Nur nicht so eilig!

Die Gastfreundschaft, sie ist uns heilig.

Aus diesem Grund empfehlen wir:

Sie bleiben noch'n paar Tage hier.

Wir haben ein besond'res Haus,

dort spannen Sie ein Weilchen aus,

bis sie beglichen, Ihre Schuld,

in Ruhe und mit viel Geduld,

ganz ohne Hektik oder Hast.

Schuldturm? Gefängnis? Kerker? Knast?

Du lieber Gott im Himmel – nein!

Die Wörter klingen gar nicht fein;

wie's richtig heißt, verrat' ich schnell:

RE-EDUKATIONS-HOTEL!

Und jetzt denk' ich, es wäre gut,

Sie bitten Ihr Geldinstitut,

recht bald, sehr rasch und ganz geschwind

das Geld, das Sie uns schuldig sind,

an unsern Staat zu überweisen.

Wir lassen Sie erst heimwärts reisen,

wenn wir sie haben, Ihre Kohle.

Das wär's einstweilen. Prost, zum Wohle!"

Mich zu beschwer'n– was sollt' es nützen?

So mußte ich zehn Tage sitzen

in einem Raume (stahlvergittert

war dessen Fenster), schwer verbittert,

frustriert, genervt und arg verdrossen,

mit sieben weiteren Genossen -

sie alle wurden eingefangen,

weil's ihnen so wie mir ergangen.

(Fast überflüssig ist's, zu sagen:

Auch hier musst' ich den Lärm ertragen,

der non-stop aus den Wänden dröhnte.)

Schließlich – es war bereits der zehnte

Tag, den im Bau ich hatt' verbracht -

riss ein Gebrüll mich in der Nacht

jäh aus dem Schlaf, brutal und barsch:

"Los, aus den Federn! Auf, marschmarsch!"

Drauf wurd' auf wenig feine Art

ich zum Flughafen hingekarrt.

Und endlich – sehr zu meinem Glück –

ging's in die Heimat dann zurück.

Dort traf mich am Ankunftstag

gleich der herbe Hammerschlag -

schlimmer, als ich's je erträumt - :

Konto völlig leergeräumt!!!

Ich befand mich (ich sag's gleich)

bis zum Hals in dem Bereich,

wo die Zahlen rot man schreibt

und wo niemand gern lang bleibt.

Seitdem wird vor Utopien

von mir nur noch ausgespien.